Madagaskars Ostküste : Reisebericht von Herrn Frank Dittrich (7/9)

Freitag, 09.02.2018

5:30 Uhr aufstehen. Auf meinem Hemd, das ich am Vorabend über die Stuhllehne gehängt habe, sitzt eine riesige Kakerlake und blinzelt mich freundlich an. Niemals eine Tasche oder einen Koffer nachts offen lassen, lautet eine Reiseregel in tropischen Ländern. Sonst kommen ungebetene Gäste mit heim. Kurz nach 6 fahren wir los. Ohne Frühstück. Das gibt es 100 km und drei Stunden später an der Hauptstraße in Farafangana. In Fett gebackene Teigbälle. Dazu eine Banane und Wasser. So langsam sinkt das kulinarische Niveau wieder. Um 10:30 stehen Nicoles Cousin und dessen Frau an der Straße, um uns zum Dorf zu lotsen. Wir bewaffnen uns mit Fotoapparat und Wasserflasche. Nicole ist schon ganz aufgeregt, ihre Oma wiederzusehen. Es geht einen steilen Hang hinab. Querfeldein ohne einen Weg. Unten stehen wir vor Reisfeldern und Sumpflandschaft. Wir waren knietief durch Bäche, unter unseren Füßen oft nur ein glitschiger Baumstamm als Halt. Fassen uns alle an den Händen, um nicht ganz im Wasser zu landen. Schlick und Schilf wechseln sich ab. Nicoles Cousin trägt zum Glück meinen Rucksack. Die Farbe unserer Hosen wandelt sich langsam von beige in rotbraun. Zu allem Überfluß fängt es auch noch heftig zu regnen an. Die sieben kleinen Strohhütten des Dorfes liegen auf einem kleinen Hügel. Niemand zu sehen. Rundherum wachsen Brotfrüchte, Mais, Ananas, Manjok, Reis und Jackfrucht. Ein kleines schwarzes Schwein ist mit langer Schnur an einen Baum gebunden und begrüßt uns neugierig. Eine Entenfamilie watschelt an uns vorbei. Wir stellen uns neben das Schwein unter den Baum, um den größten Regenguss abzuwarten. Irgendwann kommt ein Dorfbewohner und erklärt uns, dass Oma nicht mehr hier wohnt. Aber ihr neues Domizil wäre nur zwei Kilometer entfernt. Danke Cousin, dass du das so generalstabsmäßig vorgeplant hast. So ein Spezialist. Meine Laune sinkt ein wenig, als wir - immer noch im Regen - den glitschigen Abstieg zur Sumpflandschaft beginnen. Cousin immer vornweg, die flachsten Stellen suchend. Meine Schuhe sind zu rotbraunen klebrigen Erdklumpen geworden, als wir die Straße erreichen. Einen halben Kilometer geht es mit dem Auto weiter, dann wieder zu Fuß, es hat zu regnen aufgehört. Wir essen Früchte von einem Strauch, die wie eine Kreuzung zwischen Hagebutte und Minigranatapfel aussehen. Sie schmecken herrlich süßsauer, haben aber harte Kerne wie Guyaven. Metallisch blau schimmernde Beeren hängen an kleinen Büschen, zwischendurch blühen rosarote wilde Gladiolen. Ein unbezahlbares Erlebnis, das keinem Neckermannurlauber zuteil wird. Dafür lohnen sich die Strapazen. Der Weg ins Dorf ist deutlich erkennbar und wir erreichen die Hütten trockenen Fußes.

Die Ostküste ist sehr feucht
Die Ostküste ist sehr feucht

Nicoles Oma ist freudig überrascht, ihre Enkelin zu sehen und wird erstmal mit Freudentränen geduscht. Sie bringt keine 40 Kilo auf die Waage, so ein kleines Krischperl. Aber ganz die gute alte Omi, die sich über mitgebrachte Kleidung sehr freut. K2 und ich sind gerührt. Wir verstehen allerdings kein Wort von der Unterhaltung. Der Aufstieg zum Auto ist mühsam, ich lasse mir Zeit. Nicole möchte noch ihren Vater besuchen, der auch in der Nähe wohnt. Wir können mit dem Auto hinfahren, es führe eine Straße ins Dorf. Die Straße entpuppt sich als schlammige holperige Lateritpiste, die Ayna und seinen Starex ans Limit bringt. Die letzten Monate ist hier bestimmt kein Auto lang gefahren. Irgendwann ist die Piste zu Ende, jetzt geht es zu Fuß weiter. Ich gehe mit bis zu einem Abhang, an dessen Fuß geflutete Reisfelder liegen. Nein danke, das ist doch nix für mich. Es regnet wieder, ich kehre um zum Auto. Eine gute Stunde später kommt die Gruppe zurück, K2 ist fix und fertig. Sieht aus, wie ein Schwein. Und bekleckert hat er sich auch noch. Vater war nicht da, aber ein paar Tanten. Gut, dass ich im Auto geblieben bin.

Auf dem Rückweg halten wir in Farafangana am Strand. Es gibt dort zwei sehr einfache Restaurants, wir bestellen Suppe bzw. Fisch. Meine Suppe ist ca 1 Liter, serviert in einer großen Schüssel. Sie schmeckt interessant. Nicht unbedingt gut, aber sie trägt den schönen Namen Soup Relax Beach. Immerhin etwas Positives. Und für einen Euro möchte ich da nicht meckern.

Pünktlich zum Abendessen treffen wir in Manakara ein. K1 hat mittlerweile alle Emails und Anfragen aufgearbeitet. Nach einem Meeresfrüchtegratin verziehe ich mich ins Bett. 

Samstag, 10.02.2018

Die Kakerlake sitzt heute auf meiner Reiseapotheke. Als ich sie streicheln möchte, verschwindet sie in einer Ritze im Holzfußboden. Es gibt heute weder Wasser noch Strom. Kein Problem, im Bad stehen zwei gefüllte Wassereimer. Bucket Shower ist angesagt. Um 6 Uhr steht das Frühstück auf dem Tisch. Ich begnüge mich mit Pumpernickel und Käseecken, bin quasi autark. Dazu ein Grenadellesaft und ein Tee mit Zitrone. 

Unser heutiges Tagesziel ist Antsirabe. Unterwegs lassen wir uns eine köstlich aromatische Ananas schlachten. K2 handelt den Preis von 5000 auf 4000 herunter und freut sich über sein Verhandlungsgeschick. K1 seine Frau kauft auch noch eine Ananas, zahlt 1000 Ariary ohne zu handeln. K2 versteht die Welt nicht mehr. Wir klären ihn auf: Auf dem Land wird immer noch mit Franc malgache gerechnet. 5 Franc sind 1 Ariary. Die Verkäuferin wollte also 5000 Franc 1000 Ariary) von K2 und hat sich über die 300 % Trinkgeld sehr gefreut.

Ein Stück weiter kaufen wir verschiedene Sorten Hochlandmangos und eine große Schüssel Physalis. In einem einfachen Hotely essen wir Hena Rita. K2 hat leichte Bedenken bezüglich der Hygiene und beschränkt sich auf ein paar Löffel Reis. An einem Stand mit Korbwaren erstehen wir hübsche kleine Taschen mit Reißverschluss zum Preis von 38 Cent das Stück.
Obst überall
Obst überall

Antsirabe erreichen wir um 17 Uhr. Das Hotel Vatolathy hat noch Zimmer für uns frei. Abendessen gibt es im La Venice. Ich begnüge mich mit Minestrone und einem Glas Merlot.

Sonntag, 11.02.2018

Heute ist Faulenzertag. Ich bin mit meinen Reiseberichten arg im Rückstand. Noch vor dem Frühstück arbeite ich einen Teil der Tagesberichte auf. Nach dem  obligatorischen Besuch im Crustipane fahren wir auf den Steinemarkt in der Stadt. Ich erstehe zwei unglaublich große Calcitkristalle sowie einen knapp 3 Kilo schweren geschliffenen blutroten Carnallit. Insgesamt investiere ich 25 Euro. Hoffentlich bekomme ich die Stücke heil nach Hause. K2 wird auch fündig und kauft zwei Anhänger aus Achat. Schöne Wassermelonen-Turmaline sind leider nicht zu finden. 
Steinmarkt

Ayna bittet um einen kleinen Vorschuss, da er etwas am Auto reparieren muss. Ich hebe 2 Millionen Ariary am Bankautomat ab, brauche dazu 15 Minuten, da nur 400.000 = 40 Scheine auf einmal möglich sind, das Ganze aber 5 mal hintereinander geht. Ein Stapel von 200 Scheinen wechselt den Besitzer. Seit einigen Monaten haben alle Banknoten ein neues Gesicht. Es gibt auch 20.000er, allerdings noch nicht am Automaten. Ich habe eine druckfrische Serie als Souvenir eingepackt. Und dazu als Kontrastprogramm einige äußerst abgegriffene Scheine, wie sie besonders in ländlichen Gegenden in Umlauf sind. Richtige Dreckslappen und unerschöpfliche Fundgrube für Mikrobiologen.

Heute wollen wir mal wo anders essen, nicht immer nur im La Venice. Aber die meisten Restaurants haben geschlossen. So landen wir in einer madagassischen Pizzeria. Die ist gar nicht schlecht, aber viel zu viel für mich. Eine zerlumpte Bettlerin und ihre etwa fünfjährige Tochter müssen heute nicht hungern. 

Ich gönne mir endlich mal einen Mittagsschlaf, den Rest des Nachmittags verbringe ich mit Reiseberichte schreiben und gehe mit K2 ins Hallenbad des Hotels. Die Holzbalken der Dachkonstruktion biegen sich bedenklich durch, von Leimbindern haben die Madegassen noch nichts gehört. Das Wasser hat 26 Grad und außer zwei Kindern sind wir die einzigen Gäste. Der Bademeister reicht mir eine Badekappe, die ist hier Pflicht. Vielleicht als Schutzmaßnahme, wenn das Dach einstürzt?

K2 hatte letzte Woche Dieter, einen 80jährigen Schwaben kennengelernt, der eine kleine Kneipe hier in der Stadt betreibt. Der war jahrzehntelang als Aufkäufer für Edelsteine tätig. Wir statten ihm einen Besuch ab in der Hoffnung, eine Quelle für meine Wassermelonenturmaline zu finden. Doch Dieter muss uns enttäuschen. Die Turmalinvorkommen sind erschöpft und seit über 10 Jahren kam nichts mehr auf den Markt. Schade. 

Wir essen in einem guten Restaurant Zebuspieße mit Gemüse.

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