Montag, 29.01.2018
Um 6 Uhr stehen wir auf. Das Frühstück ist ganz vernünftig. Es gibt Käse und Nutella, Spiegeleier und Baguette. Um 7 Uhr kommt Mister BIN und wir verstauen die Gepäckmassen. Es herrscht das übliche Verkehrschaos und wir brauchen über eine Stunde bis zu K1. Heri kommt ebenfalls und mit drei Autos fahren wir zur Schule nach Miarinarivo. Schon aus der Ferne sehen wir einen Spähtrupp Kinder, die uns entgegenlaufen. Der BMW und Heris Mahindra-Geländewagen schaffen den letzten Teil des Weges nicht mehr. Sie liegen nicht hoch genug für die zerklüftete Piste. Wir laden das Gepäck in den Landcruiser um und machen uns zu Fuß an den Aufstieg. Rund um die Schule blühen lachsfarbene Gladiolen. Die Angestellten der Schule begrüßen uns aufs herzlichste und tragen die 8 Koffer und Reisetaschen mit Mitbringseln in den Speisesaal im ersten Stock. Wir bauen die Sachen auf zwei langen Tafeln auf: Links Schuhe und gut 500 Stück Kinderkleidung, rechts Zahnbürsten und Zahnpasta, Kuscheltiere, Süßigkeiten, Luftballons und Kugelschreiber. Die Erstklässler sind die Ersten, die zur Bescherung dürfen. Die Lehrerinnen schauen, wem was passt und jedes Kind bekommt 3 oder 4 Anziehsachen. Letztes Jahr hatte ich nicht genug Kleidung für Jungs dabei. Diesmal habe ich für Sie extra noch 60 lange Hosen und 60 T-Shirts gekauft. Für deren Verteilung bin ich zuständig, während K2 die Zahnpflegeabteilung leitet und Eberhard die Haribofiliale übernimmt. Michael kümmert sich um die Kuscheltiere. Nach gut einer Stunde sind alle Kinder versorgt. Die Kleidung in Erwachsenengröße bekommen die Lehrerinnen, den Rest packen wir wieder ein. Es gibt noch mehr Bedürftige auf Madagaskar, die sich darüber freuen.
Mit Heri, dem Schulleiter und K1 setze ich mich zur Besprechung. Nächstes Jahr im Juli ist die Abschlußprüfung der jetzigen 4. Klasse. Welche Möglichkeiten gibt es, dass möglichst viele Kinder die Prüfung bestehen? Ich schlage vor, dass die Lehrer für jedes Kind mit bestandener Prüfung eine Geldprämie bekommen. Das findet K1 weniger gut. Der Schuldirektor hat eine bessere Idee: Ein Laptop mit Drucker für die Schule, der durch ein Solarpanel mit Strom versorgt wird. Dann können Arbeitsblätter ausgedruckt werden und die Lehrer müssen nicht immer in die nächste Stadt zum Copyshop bzw. ins Internetcafe. Ich halte den Wunsch für erfüllbar. Was können die Kinder sonst noch gebrauchen? Seife, Regenponchos, Kugelschreiber und Schulränzen stehen auf der Liste. Und weiße Kittel für den Lehrkörper.
Im März erwarten wir zwei Praktikantinnen aus Deutschland. Heri ist der Meinung, außer dem arabischen Hockklo noch eine europäische Toilette einbauen zu müssen. Ich halte das für überflüssig, aber letztlich muss er das selbst entscheiden. Fließend Wasser gibt es eh noch nicht. Solarbetriebene Pumpe und Wasserleitung wären unser nächstes Projekt.
Insgesamt entwickelt sich die Schule besser, als ich es jemals erträumt hätte. Ich schaue mir Schulhefte an und bin ob der akkuraten Schrift und sauberen Heftführung begeistert. So schön sahen meine Hefte damals nicht aus.
Auf dem Schulhof toben wir noch etwas mit den Kindern herum. Man sieht Ihnen an, wie glücklich sie sind. Mit der Gewißheit, das Richtige getan zu haben und etwas Pipi in den Augen verabschieden wir uns.
Es ist Mittag und K1 führt uns in ein madagassisches Restaurant. Die Suppe ist dünn, das Zebufilet zäh wie Schuhsohle. Zwei Stunden stauen wir uns durch die Stadt, danach geht es drei Stunden nonstop nach Antsirabe. Das von K1 angesteuerte Hotel ist ausgebucht, ein Kongreß von UNICEF tagt. Wir kommen wieder im Hotel Le Retrait unter, 25 Euro die Nacht. Ich bestehe darauf, in der billigen Fernfahrerkneipe an der Minibusstation zu dinieren. K1 und K2 weigern sich und gehen etwas feiner Speisen. Wir genießen unser Hena Rita, geschmortes Zebufleisch mit Reis. Geschmacklich hervorragend und relativ wenig Knochensplitter im Fleisch. Zu viert zahlen wir - inclusive zwei großer Flaschen Bier - 5,50 Euro. 'Kamma nix sogn', wie der Bayer zu sagen pflegt. Wir fahren für einen Absacker ins Restaurant zu den Klausen. Die haben in der Zwischenzeit 25 Euro verfressen und versoffen. So groß sind die Preisunterschiede. Ein Ingwerrum findet den Weg durch meine Kehle, dann ist es Zeit für die Heia.
Dienstag, 30.01.2018
K1 fragt uns, ob es uns recht ist, wenn seine Frau mitkommt. Sie ist auch gerade in Antsirabe und hätte Zeit. Nichts dagegen. Wir haben Platz genug. Wir versorgen uns nach dem Frühstück mit reichlich Wasser und starten um kurz nach 8 zur langen Fahrt Richtung Morondava. Die Strecke war bis gestern noch gesperrt, weil ein Fluß einen Teil der Straße weggespült hatte. Jetzt ist alles repariert. 450 km stehen uns bevor. Es ist die Tour, die ich so gerne mit dem Fahrrad gemacht hätte. K2 hatte sich jedoch vehement geweigert, das Zweirad zu nutzen. Vermutlich ist er immer noch von unserer gemeinsamen Radtour Berlin - Odessa traumatisiert, die wir vor rund 8 Jahren bewältigen konnten und bei der er beinahe von einem ukrainischen Autofahrer von der Straße gefegt wurde.
So muss er sich nun bei jeder zweiten Kurve von mir sagen lassen, wie schön es hier doch auf dem Fahrrad wäre. Oder wenigstens mit dem E-Bike. Oder zumindest mit der Fahrradrikscha, dem Pousse-pousse.. Er sieht es zum Glück ein und versichert mir, in spätestens 4 Jahren mit mir hier zu radeln. Na immerhin etwas.
Jetzt zur Regenzeit leuchten die sanften Hügel in sattem Grün. Wilde Gladiolen säumen den Straßenrand. Es sind kaum Autos unterwegs. Hoch über dem Fluß hängt eine Unmenge Gestrüpp in den Metallstreben einer Brücke. Die Straße nach der Brücke hatte der Fluß mitgenommen, sie wurde neu aufgeschüttet. Es ist unglaublich, welche Macht das Wasser hat. Der Zyklon vor zwei Wochen brachte solche Regenmassen mit sich, dass der Fluß um das hundertfache anschwoll. Jetzt bei dem blauen Himmel kann man sich das kaum vorstellen.
Miandrivazo, die heißeste Stadt Madagaskars, erreichen wir nach 200 km pünktlich zum Mittagessen. Geschmortes Zebu mit Reis. Jeder hat drei gulaschgroße Stückchen auf dem Teller und eine große Schüssel Reis. Dazu Sakai, eine superscharfe Chilisauce, gegen die Tabasco richtig fad schmeckt. Mister BIN bekommt wie üblich den Großteil meiner Reisration. Das Fassungsvermögen seines Magens ist enorm und das Wort 'satt' ihm gänzlich unbekannt.
Weiter geht es sanft bergab Richtung Küste. Über Flüsse, in denen Goldsucher ihre großen Blechpfannen schwenken, vorbei an Ständen mit Ananas, Papaya, Guyaven, großen grünen Kürbissen und allerlei Gemüse. Die Steinhäuser werden durch Strohhütten abgelöst, das Stammesgebiet der Betsileo lassen wir hinter uns, die Gegend ist von den Vezo besiedelt, einem ursprünglichen Fischervolk.
Unterwegs trinken wir einen Kaffee in meiner Stammkneipe mit dem blinden Chauffeur.
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